Studie: Omega-3-Präparate können Vorhofflimmern auslösen (2024)

Stand: 04.03.2024 21:00 Uhr

Omega-3-Fettsäuren aus Fisch, Algen oder Nüssen und Samen werden schon fast wundersame Wirkungen für die Gesundheit zugeschrieben. Studien unterstreichen ihren Nutzen, zeigen aber auch Gefahren auf.

von Britta Probol

Insbesondere Lachs, Hering, Makrele und Sardellen, aber auch Leinsamen, Walnüsse, Hanf und bestimmte Öle sind bekannt für ihren hohen Gehalt an den sogenannten Omega-3-Fettsäuren. Neuerdings hört man immer wieder von sogenannten "Algenölen" oder "Omega-3-Ölen". Was ist dran? Und was hat es mit der sogenannten Omega-Balance auf sich?

Wirkung von Omega-3-Fettsäuren im Körper

Tatsächlich sind Omega-3-Fettsäuren von großer Bedeutung für den menschlichen Stoffwechsel. Sie sind Baustein unserer Zellmembranen und halten die Hüllen der Zellen geschmeidig. Wie gut unsere Nervenzellen arbeiten, hängt mit davon ab, welchen Anteil die gesunden Fettsäuren in den Zellmembranen haben. So sind Omega-3-Fettsäuren besonders wichtig für die Hirnentwicklung des Kindes in der Schwangerschaft und können offenbar helfen, Alzheimer vorzubeugen. Außerdem werden sie für die Produktion verschiedener Gewebshormone (körpereigene Botenstoffe) benötigt. Omega-3-Fettsäuren spielen eine Rolle bei Blutdruckregulation und Nierenfunktion, außerdem wirken sie blutgerinnungshemmend. Studien konnten darüber hinaus zeigen, dass Omega-3-Fettsäuren die Immunabwehr stärken und Entzündungsvorgänge zum Abklingen bringen, unter anderem beispielsweise auch bei Akne. Entzündungen spielen bei sehr vielen Krankheiten eine Rolle - nicht zuletzt bei Arteriosklerose und den daraus folgenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

ALA, DHA, EPA: Lebenswichtige Bausteine im Organismus

Omega-3 gehören zu den sogenannten mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Drei davon sind für den menschlichen Körper besonders wichtig:

  • Zum einen die pflanzliche Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA). Sie ist essenziell. Das bedeutet, dass unser Körper diese Fettsäure nicht selbst herstellen kann und daher darauf angewiesen ist, dass wir sie über die Nahrung zu uns nehmen. Alpha-Linolensäure ist in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, besonders reichhaltig in Leinsamen und Leinöl, außerdem in Walnüssen und Walnussöl, Hanf und Hanföl sowie in Rapsöl.
  • Zum anderen die beiden besonders stoffwechselaktiven Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).Unser Körper kann sie aus ALA (also aus der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure) selbst herstellen, jedoch nur in sehr geringen Mengen. Zudem wird die Umwandlung durch hohe Omega-6-Konzentrationen blockiert. Besonders reichlich sind EPA und DHA in fetten Kaltwasser-Meeresfischen enthalten: Lachs, Hering, Makrele, Sardelle. Darüber hinaus finden sich EPA und DHA in höherer Konzentration auch in winzigen Krebstierchen aus kalten Gewässern (Krill) und bestimmten Mikroalgen (zum Beispiel Spirulina-, Chlorella- oder Schizochytrium-Algen). Diese werden neben Fischöl für die Herstellung Omega-3-haltiger Nahrungsergänzungsmittel verwendet.

Empfindliche Omega-3-Pflanzenöle richtig behandeln

Leinsamen und Leinöl enthalten besonders viel ALA.

Pflanzlicher Hauptlieferant für Omega-3-Fettsäuren ist Leinöl. Vor hundert Jahren war es nahezu das einzige Öl in Deutschland. Dann wurde die Lein-Pflanze, die auch als Flachs (Lieferant für Leinen) bekannt ist, lange Zeit fast vergessen. Aus den Samen des Leins wird unter anderem Speiseöl gepresst. Leinöl hat einen leicht nussigen Geschmack und passt gut zu Salaten oder etwa Quark mit Pellkartoffeln. Frischkäse bekommt durch das Öl eine besondere Note.

Leinöl ist durch seinen besonders hohen Gehalt an der wertvollen Omega-3-Fettsäure ALA (50 bis 60 Prozent) sehr lichtempfindlich und wird leicht ranzig. Man sollte schon beim Einkauf auf qualitativ hochwertige Herstellung achten - die Kriterien: bio, kalt beziehungsweise unter Ausschluss von Licht, Hitze, Sauerstoff gepresst, zum Beispiel mit dem Verfahren "Omega-safe" oder "Oxyguard". Das Öl sollte unbedingt dunkel sowie luftdicht gelagert, frisch verwendet und nach dem Anbruch binnen drei Wochen verbraucht werden, sonst geht die positive Gesundheitswirkung verloren. Wichtig: Leinöl darf man niemals erhitzen.

Hanföl enthält etwa 17 Prozent der Omega-3-Fettsäure ALA und gehört ebenfalls in die kalte Küche. Walnussöl und hochwertig hergestelltes Rapsöl weisen immerhin noch um die zehn Prozent ALA auf - diese Öle sind hitzebeständiger, man kann sie heißen Speisen zufügen, sie sollten jedoch nicht zum Braten verwendet werden.

Zuchtlachs: Höherer Anteil an Omega-6

Unter den Omega-3-reichen Fischen besonders beliebt ist der Lachs. Heute stammt er vorwiegend aus großen Zuchtfarmen. Dort bekommt der Raubfisch vermehrt pflanzliches Futter, was einen höheren Anteil an Omega-6 mit sich bringt als seine natürliche tierische Nahrung. Es besteht die Befürchtung, dass sich das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 im Lachs dadurch verschlechtert. Stichproben aber zeigen, dass das Verhältnis auch beim Zuchtlachs noch günstig sein kann.

Die "Omega-Balance" ist enorm wichtig

Damit Omega-3-Fettsäuren im Körper gut wirken können, darf unsere Ernährung nicht zu viele Omega-6-Fettsäuren enthalten. Die Omega-6-Fettsäuren stecken zum Beispiel im Sonnenblumen- oder Distelöl und in fertig verarbeiteten Lebensmitteln.Warum ist die Omega-Balance so wichtig? Weil unser Stoffwechsel Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren mithilfe ein und desselben Enzyms verarbeitet. Sind alle Enzyme mit Omega-6-Fettsäuren "besetzt", kann der Körper kein Omega-3 aufnehmen. Heutzutage enthält unsere Nahrung im Durchschnitt 10- bis 20-mal mehr Omega-6- als Omega-3-Fettsäuren. Dabei sollte das Verhältnis Omega-6 zu Omega-3 eigentlich zwischen 1 : 1 und 5 : 1 liegen.

Bluttest ermittelt den Omega-Index

Somit ist für die ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren nicht nur ausschlaggebend, wie viel Fisch- oder Leinöl man isst, sondern auch die "Gesamtbilanz" der aufgenommen Fette. Von Mensch zu Mensch kann die tatsächliche Verstoffwechselung unterschiedlich sein. Um zu bestimmen, wie viel EPA und DHA wirklich im Blut ankommen, wurde ein spezieller Bluttest entwickelt. Er nutzt aus, dass Fettsäuren sich an roten Blutkörperchen anlagern und dort messen lassen. Ein sogenannter Omega-3-Index von 8 bis 11 Prozent gilt als optimal. Die Bestimmung dieses Laborwertes ist allerdings keine Routine und wird von den Krankenkassen nicht bezahlt.

Omega-3-Kapseln aus der Apotheke und Nahrungsergänzungsmittel

Aufgrund der zahlreichen gesundheitsfördernden Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren werden sie mittlerweile erfolgreich als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Während verschreibungspflichtige Medikamente aus der Apotheke in 1.000 mg Omega-3-Fettsäuren gleichbleibend 460 mg EPA und 380 mg DHA enthalten, variieren die Mengen in den freiverkäuflichen Nahrungsergänzungsmitteln erheblich. Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln lediglich den Gesamt-Gehalt an Omega-3-Fettsäuren angeben müssen und nicht, wie viel ALA, EPA oder DHA im Einzelnen enthalten ist.

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Lebensmittel mit Omega-3-Zusatz

Die Lebensmittelindustrie hat Omega-3-Fettsäuren als Vermarktungsfaktor für sich entdeckt und fügt Algenextrakte (EPA/DHA) inzwischen vielen Nahrungsmitteln hinzu, von Sojamilch über Küchenöle ("Omega-3-Öl") bis zur Panade von Fischstäbchen. Das erhöht den Preis für solche Produkte, es macht aber aus einem ungesunden Lebensmittel kein gesundes. So sind "Omega-Öle" im Verkauf, die hauptsächlich aus billigem Sonnenblumenöl bestehen, also viel Omega-6 liefern - und die Dosierung des zugesetzten EPA/DHA einzuschätzen ist oft schwierig.

Algenöl als Nahrungsergänzung

Nur wenige Lebensmittel enthalten Omega-3-Fettsäuren.

Relativ neu auf dem Markt sind sogenannte Algenöle. Dahinter verbergen sich meist Mischungen verschiedener Speiseöle (etwa Lein-, Oliven- oder auch MCT-Öl) mit sehr hochdosiertem EPA- und DHA-Zusatz aus Mikroalgen. Algenöl kann man auch in Kapselform kaufen. Das Öl wird aus Mikroalgen gewonnen - nicht aus den großen Algen, die man für Sushi oder andere japanische Spezialitäten verwendet. Algenöl ist so gut wie jodfrei. Die Mikroalgen wachsen in speziellen Zuchtanlagen, sogenannten Aquakulturen, in Nährlösungen. Aus der Algen-Biomasse wird durch aufwendige Verfahren das Omega-3-reiche Öl extrahiert. Algenöl ist eine rein pflanzliche Alternative für Menschen, die keinen Fisch oder Fischöl zu sich nehmen möchten.

Nebenwirkungen von Omega-3-Präparaten

Wie bei allem gilt auch bei Omega-3-Fettsäuren: Nicht des Guten zu viel tun - wo es Wirkungen gibt, gibt es auch Nebenwirkungen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfahl 2009 in einer Stellungnahme für gesunde Verbraucher eine Höchstmenge von durchschnittlich 1,5 Gramm EPA/DHA pro Tag. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA sah dagegen in einer Stellungnahme von 2012 die Aufnahme von bis zu 5 Gramm EPA und DHA (in Kombination) für Erwachsene als unbedenklich an. Diese Einschätzung gilt nicht für Menschen mit Vorerkrankungen.

Omega-3-Fettsäuren können offenbar das Risiko für Vorhofflimmern steigern

Eine US-Studie, die Framingham Heart Study, konnte zeigen, dass Menschen mit hohen Omega-3-Werten im Blut ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen haben. 2021 hat eine große Metaanalyse wiederum ergeben, dass mehr als 1 Gramm Omega-3-Supplementation mariner Herkunft (etwa Algenöl oder Fischöl-Kapseln) offenbar zu Herzrhythmusstörungen führen kann: Bei Menschen mit einer bestehenden oder drohenden Herzerkrankung kann die Einnahme von Omega-3-Präparaten demnach das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen.Allerdings wird kritisiert, dass wichtige Daten wie der Omega-3-Index der Betroffenen teils nicht vorgelegen hätten.

Tagesbedarf und Dosierung mit Arzt besprechen

Wer Omega-3 in erhöhten Dosen als Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, kann eine erhöhte Blutungsneigung bekommen, die sich zum Beispiel durch Nasenbluten zeigt. Das gilt umso mehr für Menschen, die bereits Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung einnehmen. In jedem Falle ist es sinnvoll, vor dem Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln mit seinem Arzt oder Apotheker zu sprechen.

Nicht zuletzt kann man seine Omega-Bilanz auch dadurch erheblich verbessern, dass man auf den Speiseplan weniger Omega-6-Fettsäuren setzt (zum Beispiel weniger Sonnenblumenöl, Distelöl, Fertigprodukte) und stattdessen mehr pflanzliche Omega-3-Quellen wie Nüsse und Leinöl - und gelegentlich ein gutes Stück Fisch.

Expertinnen und Experten zum Thema

Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Pharmakologe 
Institut für Ernährungsmedizin
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
www.ernaehrungsmedizin.blog

Dr. med. Jens Riedel, Mühlenbergklinik Bad Malente

Leitender Arzt der Abteilung Kardiologie/Innere Medizin
Frahmsallee 1-7
23714 Bad Malente
www.muehlenbergklinik-holsteinische-schweiz.de

Prof. Dr. med. Matthias Laudes, Christian Albrechts Universität zu Kiel

Klinik für Innere Medizin I mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Hepatologie, Pneumologie, internistische Intensivmedizin, Endokrinologie, Infektiologie, Rheumatologie, Ernährungs- und Alterungsmedizin
Düsternbrooker Weg 17
24103 Kiel

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Die Ernährungs-Docs |04.03.2024 | 21:00 Uhr

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